Unterm Rad von Hermann Hesse

“Hanauer Kanon der Literatur“: In diesem Buch stellen 100 Hanauer Persönlichkeiten ihre ganz besondere Leseempfehlung vor. Es wurde 2014 vom Buchladen herausgegeben und ist nur hier erhältlich. Der folgende Text ist der Beitrag von Dominik Kaletta:

Mein besonderes Buch ist „Unterm Rad“ von Hermann Hesse. Ich habe es Ende der 80er Jahre in der Schule gelesen. Natürlich lassen sich Abiturienten vom Protagonisten Hans Giebenrath ansprechen, einem jungen Menschen, dessen Schulzeit sowie erste Berufsjahre geschildert werden, der an den eigenen und fremden, normativen Ansprüchen zerbricht und letztlich ertrinkt - die Ursache hierfür bleibt unbekannt.

Viel mehr als die Handlung selbst, hat mich aber schon damals die Sprache von Hesse direkt in ihren Bann gezogen. Lesen Sie einmal in „Unterm Rad“ den Beginn des zweiten Kapitels: Hier findet sich die Schilderung des Beginns der Sommerferien von Hans in Form einer Beschreibung eines sommerlich-ländlichen Naturerlebnisses, die ihres gleichen sucht und heute kaum mehr jemand erschaffen kann. Es ist, als ob ich Vivaldis „Sommer“ lese, statt ihn zu hören.

Beide Motive finden sich in Hesses „Glasperlenspiel“ wieder. Auch der Lebensweg von Josef Knecht endet dort tragisch im Wasser - nicht jedoch, ohne den Sonnenaufgang in den Bergen bis ins letzte nachfühlbare Detail beobachtet, d.h. beschrieben zu haben.

Besondere Bücher sind für mich diejenigen, die ich nicht nur aus Zeitvertreib konsumiere, sondern solche, die ich mit Leichtigkeit mindestens ein zweites Mal oder noch häufiger aus dem Regal ziehe – wie eben bei Hermann Hesse. Diese Bücher muss ich nicht im eigentlichen Sinne „lesen“. Sie bringen in mir direkt eine Saite zum Schwingen: Eine Schwingung die bleibt, etwa in Form eines Bildes, eines autobiografischen Zuges oder einer Stimmung… Ich denke bei „Unterm Rad“ daher auch gerne an unsere damalige Klassenfahrt ins Kloster Maulbronn zurück – einem der Orte der Handlung.

Suchen Sie einmal in Ihrem eigenen Regal, streichen Sie liebevoll über alte Buchrücken und lauschen Sie dem ersten Gedanken, dem Film der Erinnerung …